Dialog im Museum: „Künstliche Intelligenz und Smart Cities“

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Dialog im Museum: „Künstliche Intelligenz und Smart Cities: Chinesische Überwachungskultur – Was ist davon relevant für uns?“  Vortragsreihe am 04. April 2019 im Architekturmuseum in Frankfurt am Main

Highlight der Veranstaltung „Dialog im Museum“ war zweifelsohne der überzeugende Vortrag des studierten Sinologen und China-Experten Kai Strittmatter. In seiner fast 20-jährigen Tätigkeit als China-Korrespondent der Süddeutschen Zeitung hat er einen profunden Einblick in die nach außen ganz leise und subtil agierende Machtzentrale der Weltpolitik gewonnen.

Er räumt radikal auf mit der oberflächlichen Wahrnehmung aus der Ferne, das von der Kommunistischen Partei regierte China sei längst in der kapitalistischen Denkstruktur angekommen. Weit gefehlt: Das Gegenteil sei der Fall, so Strittmatter. Die Formel „Wandel durch Handel“ sei nicht aufgegangen. Nach der wirtschaftlichen Erfolgsstory der letzten Jahrzehnte vollziehe sich mit Xi Jinping, seit 2013 Staatspräsident der Volksrepublik China, gerade eine radikale „Rückkehr zur Ein-Mann-Autokratie“. Abgesehen davon, hat das, was in China passiert, rein gar nichts mehr mit der politischen Ideologie des Kommunismus nach Marx und Lenin zu tun, auch wenn der Theoretiker Karl Marx in den propagandistischen Ansprachen häufig zitiert wird. Es herrsche vielmehr ein „elitärer Kapitalismus, der eine sozialistische Flagge vor sich her trägt“, meint der chinesische Historiker Zhang Lifan. Nur die Autokratie sei vom Kommunismus übriggeblieben. [1]

Die Diktatur erfindet sich neu und nutzt dabei die Möglichkeiten der Digitalisierung

Während nach innen die Repression extreme Ausmaße annimmt und Xi Jinping „alle nicht orthodoxen Strömungen trockenlegt“ und keinerlei Kritik mehr duldet, findet eine Neuerfindung der Diktatur im Zeitalter der Digitalisierung statt. Ziel sei die „Rückkehr des Totalitarismus im digitalen Gewand“.  In seinem Buch Die Neuerfindung der Diktatur zitiert er den deutschen Chinawissenschaftler Sebastian Heilmann, der in diesem Zusammenhang vom „digitalen Leninismus“ spricht.[2]

Künstliche Intelligenz (KI) und Big Data definieren viele Bereiche vollkommen neu

Bis 2025 will die Kommunistische Partei die Wirtschaft des Landes zum Weltmarktführer bei innovativen Technologien machen. Und bis 2030 bei Künstlicher Intelligenz. Es sieht ganz so aus, als könnte das gelingen. Für die Kommunistische Partei bedeutet das, durch die totale Überwachung des öffentlichen Raums mit Kameras und Gesichtserkennung, die „Vertrauenswürdigkeit“ oder besser Linientreue der 1,4 Mrd. starken Bevölkerung zu überprüfen und Abweichungen von den vorgeschriebenen Regeln mit schmerzhaften Sanktionen zu versehen. Das soziale Bonitätssystem der Machthaber ist mehr als diskriminierend. Verhaltensweisen werden mit einem bestimmten Punktesystem bewertet, das im schlimmsten Fall dazu führt, auf der schwarzen Liste (lt. einer aktuellen ARD-Reportage rund 12 Mill. Chinesen) zu landen. Und das bedeutet, diese Personen werden ihrer persönlichen Freiheit beraubt. Sie haben keinen Zugang mehr zur Mobilität (Schnellzüge, Flugticket), kein schnelles Internet, dürfen keine Immobilien kaufen etc.

Künstliche Intelligenz wird als neue Elektrizität bezeichnet und hilft China seinen Machtapparat zu perfektionieren. Mithilfe von Algorithmen und digitalen Daten ist sie in der Lage, alles neu zu erfinden, egal ob Medizin, wissenschaftliche Forschung, Verkehr oder das Zusammenleben in der Stadt. [3] Es war ein wenig schade, dass als Gegenpol zu dem Beispiel Chinas und dem bedenklichen Missbrauch der neuen Technologien als Machtinstrument nicht die positive Seite der digitalen Möglichkeiten zur Verbesserung der menschlichen Lebensbedingungen stärker ins Visier genommen wurde. Wie ist Digitalisierung zu gestalten, damit sie zur Humanisierung der Welt beiträgt? Das Thema digitaler Humanismus und die Frage, wie wir Künstliche Intelligenz und Algorithmen zum Wohl der Menschen und der Gesellschaft nutzen können, kam etwas zu kurz.

Über ehrgeizige Finanzierungs-Deals Einfluss und Kontrolle gewinnen

Rund 900 Mrd. US$ will China in Infrastrukturprojekte in Eurasien unter dem Motto „Neue Seidenstraße“ stecken. Dabei geht es um Zugstrecken, Häfen, Flughäfen, Straßen oder auch Kraftwerke, deren Bau letztendlich der chinesischen Wirtschaft wieder zugutekommen. Mehr als 68 Länder sind bereits in die Kreditvergabe eingebunden und begeben sich durch unsichere Finanzierung häufig in eine starke Abhängigkeit zu China. Wirtschaftliche und politische Auswirkungen lassen sich angesichts dieser Problematik kaum mehr trennen.[4] Das Projekt könnte auch ein zentraler Baustein in der „geostrategischen Vision für eine neue, von China bestimmte Weltordnung“ sein, kommentiert Strittmatter in seinem Buch.[5]

„Dialog im Museum“ ist ein Kooperationsprojekt des Deutschen Architektur Museums und der Hochschule RheinMain. Es ist zudem Teil einer größeren Förderinitiative auf Bund- und Länderebene. Es folgen zwei weitere Veranstaltungen im Mai 2019. Ziel des Projekts „IMPACT RheinMain“ der Hochschule RheinMain ist es, innovative Transferprojekte mit Kooperationspartnern aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft mit Fokus auf Smart Energy, Smart Home und Smart Mobility zu initiieren und umzusetzen. Die 550 Mio. Euro umfassende Förderinitiative „Innovative Hochschule“ läuft bis 2027 und richtet sich insbesondere an kleine und mittlere Universitäten sowie Fachhochschulen.

Kai Strittmatter ©IHOFMANN

Kai Strittmatter ©IHOFMANN

[1] https://www.n-tv.de/politik/China-erfindet-den-reichen-Kommunismus-article20091563.html

[2] Kai Strittmatter, Die Neuerfindung der Diktatur. Wie China den digitalen Überwachungsstaat aufbaut und uns damit herausfordert, Piper Verlag 2018, S. 196

[3] Ebda. S. 148

[4] http://www.spiegel.de/politik/ausland/china-das-infrastrukturprojekt-neue-seidenstrasse-ist-eine-schuldenfalle-a-1201015.html

[5] KS, Die Neuerfindung der Diktatur, S. 266.